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Gewerbe- und Gaststättenrecht

Das Gewerberecht betrifft nach der tradierten Definition all diejenigen, die einer erlaubten, auf Gewinnerzielung gerichteten und auf Dauer angelegten selbständigen Tätigkeit nachgehen (wollen), die nicht den Bereichen Urproduktion, den freien Berufen oder der bloßen Verwaltung eigenen Vermögens zuzurechnen ist (BVerwG, Urt. v. 27.02.2013, 8 C 8.12). Mit anderen Worten betrifft das Gewerberecht nahezu jeden Unternehmer. Das wichtigste Gesetz bildet die GewO. Ein besonderes Gewerbe ist das Gaststättengewerbe. Es wird dabei ein Gewerbe im beschriebenen Sinne vorausgesetzt, wobei Schank- oder Speisewirtschaft vorliegen muss und der Betrieb jedermann oder bestimmten Personenkreisen zugänglich sein muss, § 1 Abs. 1 GastG.
I. Zulassungsfreie und -pflichtige Gewerbe

In der Bundesrepublik Deutschland gilt die Gewerbefreiheit; grundsätzlich ist keine Erlaubnis erforderlich. Es besteht lediglich eine Anzeigepflicht nach § 14 Abs. 1 GewO, die keinesfalls mit einem Antrag auf Erlaubniserteilung verwechselt werden darf. Die Anzeigepflicht dient der Überwachung der Gewerbeausübung. Bestimmte, gesetzlich vorgesehene Gewerbe bedürfen aber wegen gesetzlicher Anordnung einer Erlaubnis – etwa der Apothekenbetrieb wegen § 1 Abs. 2 ApoG.
II. Unzuverlässigkeit und weitere Versagensgründe

§ 35 Abs. 1 GewO setzt – genau wie § 4 Abs. 1 Nr. 1 GastG – die Zuverlässigkeit des Gewerbetreibenden voraus. Es handelt sich dabei um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der jedoch vollständig gerichtlich überprüfbar ist. Der Gesetzgeber hat in der Norm keine Definition integriert und sie damit der Rechtsprechung überlassen. Die Rechtsprechung hat folgende Definition gewählt: Unzuverlässig ist der Gewerbetreibende, der keine Gewähr dafür bietet, dass er sein Gewerbe künftig ordnungsgemäß ausüben wird (BVerwG, Urt. v. 19.03.1970, GewA 1971, 200). Einige Beispiele, die die Zuverlässigkeit zumindest in Frage stellen, sind:

 
  • Begehung von Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten
    • Unzuverlässig ist dabei regelmäßig derjenige, der eine gewerbebezogene Straftat oder eine Vielzahl kleinerer Gesetzesverstöße vorzuweisen hat.
    • Nichterfüllung steuerrechtlicher Erklärungs- und Zahlungspflichten
  • Dauerhafte wirtschaftliche Leistungsunfähigkeit
  • Verstöße gegen sozialversicherungsrechtliche Verpflichtungen
In § 4 Abs. 1 Nr. 1 GastG hat der Gesetzgeber für das Gaststättenrecht nicht abschließende Regelbeispiele formuliert, bei deren Vorliegen keine Zuverlässigkeit vorliegt; dazu gehört, dass der Gewerbetreibende „dem Trunke ergeben ist oder befürchten lä[ss]t, da[ss] er Unerfahrene, Leichtsinnige oder Willensschwache ausbeuten wird oder dem Alkoholmi[ss]brauch, verbotenem Glücksspiel, der Hehlerei oder der Unsittlichkeit Vorschub leisten wird oder die Vorschriften des Gesundheits- oder Lebensmittelrechts, des Arbeits- oder Jugendschutzes nicht einhalten wird“.

Die Zuverlässigkeit ist keine Tatsache. Tatsachen bzw. Beweisaufnahmen sind aber notwendig, um die Zuverlässigkeit prognostizieren zu können. Ohne Tatsachen kann die Behörde die Zuverlässigkeit bzw. Unzuverlässigkeit nicht feststellen (dazu Metzner/Thiel, in: Metzner/Thiel, Gaststättenrecht (7. Aufl.), Rn. 15 m.w.N.)
III. Straßenrechtliche Genehmigungen

Ein mit dem Gewerbe- und Gaststättenrecht zusammenhängende Rechtsmaterie ist das Straßenrecht, insbesondere das Straßennutzungsrecht. Es liegt in der Natur der Sache, dass Straßen zu verschiedensten Zwecken genutzt werden, insbesondere auch für wirtschaftliche Tätigkeiten. Hier ist der Gemeingebrauch und die Sondernutzung zu unterscheiden. Gemeingebrauch ist dabei erlaubnisfrei. Ob Gemeingebrauch oder Sondernutzung vorliegt, richtet sich nach dem Zweck der Straßenbenutzung (OLG Düsseldorf NZV 1991, 40). Gemeingebrauch liegt insbesondere dann vor, wenn die Nutzung der öffentlichen Straße vorwiegend der Fortbewegung von Personen und Sachen im Sinne einer Ortsveränderung dient. Die gewerbliche Nutzung der Straße ist kein Gemeingebrauch und damit regelmäßig eine erlaubnispflichtige Sondernutzung.
Damit ist die Außengastronomie auf der öffentlichen Straße, der Verkaufsstand und etwa der Kundenstopper auf dem Gehweg erlaubnispflichtig. Sollte die Straße im Rahmen einer Sondernutzung ohne Erlaubnis genutzt werden, drohen empfindliche Bußgelder.
IV. Auflagen

Behörden erteilen häufig Auflagen im Gewerbe- und Gaststättenrecht bei erlaubnispflichtigen Tätigkeiten. Auch erlaubnisfreie Gaststättenbetriebe werden nicht von Auflagen verschont. Im Gaststättenrecht hat der Gesetzgeber in § 5 Abs. 1 GastG die Erteilungsbefugnis von Auflagen explizit geregelt. Auflagen können demnach erteilt werden (1) zum Schutz der Gäste gegen Ausbeutung und gegen Gefahren für Leben, Gesundheit oder Sittlichkeit (2) zum Schutz der im Betrieb Beschäftigten gegen Gefahren für Leben, Gesundheit oder Sittlichkeit oder (3) zum Schutz gegen schädliche Umwelteinwirkungen und sonst gegen erhebliche Nachteile, Gefahren oder Belästigungen für die Bewohner des Betriebsgrundstücks oder der Nachbargrundstücke sowie der Allgemeinheit.
V. Rechtsschutz

Sollte die Erlaubnis etwa wegen vermeintlich mangelnder Zuverlässigkeit oder aus anderen Gründen aufgehoben werden oder eine Schließungsverfügung vorliegen, ist schnelles Handeln nicht nur aus wirtschaftlichen Gründen zweckdienlich. Denn in solchen Fällen drohen empfindliche Eingriffe in den Bestand des Gewerbebetriebs – teils sogar mit sofortiger Vollziehbarkeit. Umso wichtiger ist es, den Widerspruch und gerichtliche Eilrechtsmittel einzulegen. Der Rechtsschutz kann aus folgenden Gründen für Laien komplex wirken: Der bei der zuständigen Behörde einzulegende Widerspruch hat grundsätzlich aufschiebende Wirkung nach § 80 Abs. 1 S. 1 VwGO. Dies bedeutet, dass der Verwaltungsakt zwar weiterhin wirksam bleibt, aber in seiner Vollziehung gehemmt wird (BVerwGE 13, 1 (5 ff.); 66, 218 (222); 89, 357 (361)).

Um die Vollziehungshemmung zu umgehen, kann die zuständige Behörde neben dem Verwaltungsakt als Annex die sofortige Vollziehung anordnen. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung führt ihrerseits zum Entfall der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwGO. Das Interesse des Gewerbetreibenden ist dann, die aufschiebende Wirkung so schnell wie möglich wiederherzustellen. Deswegen hat der Gesetzgeber in § 80 Abs. 5 S. 1 Alt. 2 VwGO einen gerichtlichen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung vorgesehen. Sollte demnach etwa eine nach Ihrer Ansicht unrechtmäßige Schließungsverfügung mit der Anordnung der aufschiebenden Wirkung ergangen sein, sollte sowohl durch einen behördlichen Widerspruch als auch durch einen gerichtlichen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung vorgegangen werden.

Sollte nur eine dieser beiden Möglichkeiten ausgeschöpft werden, wären die Folgen fatal: Bei einem reinen gerichtlichen Antrag würde der Verwaltungsakt nach Fristablauf des Rechtsbehelfs in Bestandskraft erwachsen. Der Antrag wäre ab diesem Zeitpunkt wegen offensichtlicher Unzulässigkeit des Widerspruchs unzulässig. Sollte hingegen nur der behördliche Widerspruch eingelegt werden, könnte die Behörde den Verwaltungsakt vollziehen. Bei dem Widerspruch handelt es sich um den Hauptrechtsbehelf, bei dem Antrag nach § 80 Abs. 5 S. 1 Alt. 2 VwGO handelt es sich um um den vorläufigen Rechtsschutz. Bei keinem Erfolg des Hauptrechtsbehelfs kann Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 Var. 1 VwGO beim Verwaltungsgericht erhoben werden; sollte dem vorläufigen Rechtsschutzantrag nicht stattgegeben werden, kann Beschwerde nach § 146 VwGO eingelegt werden.


Sollte bei einer erlaubnispflichtigen Tätigkeit die Erlaubnis von vornherein versagt werden, ist auch ein Widerspruch einzulegen. Es handelt sich dabei aber um keinen Anfechtungswiderspruch, sondern um einen Verpflichtungswiderspruch. Bei einer Zurückweisung des Widerspruchs ist dann Verpflichtungsklage nach § 42 Abs. 1 Var. 2 VwGO beim Verwaltungsgericht zu erheben. Im vorläufigen Rechtsschutzverfahren kommt ein Eilantrag nach § 123 Abs. 1 S. 2 VwGO in Betracht. Demnach kann das Verwaltungsgericht einstweilige Anordnungen treffen, um etwa wesentliche Nachteile abzuwenden.

Diese und weitere Rechtsschutzmöglichkeiten sind in jedem Einzelfall im Detail zu prüfen.
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Dr. Onur C. Aydin

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